Protest beim „Pflanzenteufel“ in Duisburg-Buchholz

GrenzlandDie FAU hat am 9. April 2011 mit einer Protestaktion bei der Firma Pflanzen-Teufel in Duisburg-Buchholz ausstehende Löhne von Dutzenden Beschäftigten eingefordert. Diese warten im münsterländischen Rhede seit Monaten auf die pünktliche Auszahlung ihrer Gehälter. Neben ArbeiterInnen aus der Region sind von den Lohnrückständen in Höhe von teilweise mehr als dreitausend Euro auch scheinbar selbstständige polnische KollegInnen betroffen, die unter besonders schwierigen Bedingungen ausharren müssen. Die FAU hatte die verantwortliche Firma «Grenzland Produktions und Handels GmbH» in den letzten Wochen mehrfach aufgefordert, die ausstehenden Löhne unverzüglich auszuzahlen. Nachdem es keinerlei Reaktion gab, wurden vor einigen Tagen Mahnverfahren gegen die Firma eingeleitet.

In Landwirtschaft und Gartenbau am Niederrhein und im Münsterland geht kaum etwas ohne ArbeiterInnen aus Polen. Tausende erledigen in Ernte und Pflanzenaufzucht Arbeiten, die so schlecht entlohnt werden, dass die Betriebe vor Ort kaum Leute finden. Doch selbst, wem es gelingt, in den Gewächshäusern der Kreise Kleve und Borken zu diesen Bedingungen einen Job zu finden, kann sich nicht immer darauf verlassen, dass der Lohn auch pünktlich ausgezahlt wird. So geschehen beispielsweise im konkreten Fall der Firma Grenzland Produktions und Handels GmbH mit Sitz in Straelen am Niederrhein. ArbeiterInnen dieser Firma hatten sich Anfang des Jahres mit Bitte um Unterstützung an an die FAU gewandt, weil sie seit Monaten ihren Lohn nur teilweise und verspätet ausgezahlt bekommen hatten. Es waren polnische ArbeiterInnen, die die Initiative ergriffen hatten, nachdem sie erfahren hatten, dass erst im letzten Jahr die FAU in Dortmund polnischen Kollegen bei einer Lohnauseinandersetzung unterstützt hatten.

Die FAU Münsterland nahm in der Folge Kontakt zu den ArbeiterInnen bei Grenzland auf, die in Rhede (Kreis Borken) arbeiten. Es stellte sich schnell heraus, dass mehrere Dutzend deutsche und polnische KollegInnen von Lohnrückständen – im Einzelfall mehr als 3.000 Euro – betroffen sind.

Im Grenzland-Dickicht

Parallel begann eine umfangreiche Recherche zu den firmenrechtlichen Hintergründen des Arbeitgebers. Die Firma Grenzland Produktions und Handels GmbH ist eine seit Dezember 2009 bestehende GmbH mit zwei Gesellschaftern, Matthias Steverding und Michaela Klein, beide vorgeblich mit Wohnsitz in Duisburg. Beim eingetragenen Firmensitz in Straelen nahe der niederländischen Grenze scheint es sich um eine Briefkastenadresse zu handeln, von der aus nur die Post weitergeleitet wird. Nach wenigen Monaten übernahm die Grenzland Anfang 2010 aus einer Insolvenz die Firma Steva, die in Rhede eine Pflanzenaufzucht betreibt und hierfür über Jahre mehr als 250.000 Euro öffentliche Fördergelder erhalten hatte. Geschäftsführer der Steva Pflanzen und Technik GmbH war Gerd Steverding, ein Verwandter von Matthias Steverding, dem Gesellschafter der Grenzland Produktions- und Handels GmbH. Es blieb also sozusagen alles in der Familie. Im Zuge der Recherche erhielt die FAU die Information, dass die Besitzer der Firma Grenzland nicht nur den Aufzuchtbetrieb in Rhede betreiben, sondern auch Pflanzenmärkte unter dem Namen „Pflanzen-Teufel“ in Duisburg und Bocholt unterhalten haben. Michaela Klein, die Geschäftsführerin von Grenzland lässt außerdem auf dem Arenborgweg im niederländischen Venlo Pflanzen anziehen. Auch dort waren polnische ArbeiterInnen eingesetzt. Als Ergebnis dieser und weitergehender Recherchen ergab sich somit ein schwer zu durchschauendes Dickicht aus Firmen, Insolvenzen, familiären Verstrickungen, Briefkastenadressen, Telefon-, Fax- und Postweiterleitungen. Und mittendrin mehrere Dutzend ArbeiterInnen, die unter teilweise prekären Bedingungen auf ihre ausstehenden Löhne warteten.

Ein Gestrüpp aus Minijobs und scheinbarer Selbständigkeit

Von den firmenrechtlichen Hintergründen hatten die ArbeiterInnen selbst kaum etwas gewusst. Für sie spielen andere Dinge eine wichtigere Rolle. Da ist zunächst einmal die unterschiedliche rechtliche Situation. Während die Einheimischen meist auf Minijob- oder Teilzeit-Basis in den Gewächshäusern arbeiten, sind die polnischen ArbeiterInnen überhaupt nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Stattdessen bekamen sie einen Gewerbeschein und mussten ein Formular unterschreiben, um als Kleinunternehmer von der Umsatzsteuer befreit zu sein. Was sie dort unterschrieben, war ihnen aber mangels ausreichender Deutschkenntnisse völlig unklar. Die Firma hat für die Arbeit Rechnungen ausgestellt, in denen diese zu Stückpreisen abgerechnet wird. Auch ob sie eine Krankenversicherung haben, wissen sie selber nicht genau.

Von einer Selbständigkeit kann allerdings keinerlei Rede sein, vielmehr liegen sämtliche Merkmale vor, die eine Scheinselbständigkeit charakterisieren. Das hat in der Branche durchaus Methode, weil es sogar noch die Sozialversicherungs-, Renten- und Krankenkassenbeiträge spart, die zuvor für polnische KontraktarbeiterInnen entrichtet werden mussten. Gerichte haben Scheinselbständigkeit immer wieder attestiert und Bosse wegen Hinterziehung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen zu Geldstrafen und Nachzahlungen verurteilt.

In einem ist die Situation der einheimischen und der polnischen ArbeiterInnen auf jeden Fall identisch: Fast alle sind von Lohnrückständen betroffen. Alleine von sieben polnischen KollegInnen, die in Rhede beschäftigt waren, liegen der FAU Dokumente über Lohn-Außenstände in Höhe von etlichen tausend Euro vor. 21 deutsche ArbeiterInnen haben mit einer Unterschriftenliste die Arbeitszeiten ihrer polnischen KollegInnen bestätigt. Derzeit befinden sich noch vier polnische KollegInnen in Rhede, von denen drei Ende Januar die Arbeit niedergelegt haben. Ende Februar hatten auch die einheimischen ArbeiterInnen ihre Januar-Löhne nicht erhalten. Auf die Drohung, kollektiv die Brocken hinzuschmeißen, erhielten vier von ihnen dann ihren Januar-Lohn ausgezahlt. Einige arbeiteten zunächst weiter, andere wandten sich an das Arbeitsgericht. Die Situation der verbliebenen polnischen KollegInnen wird derweil immer prekärer. Sie sitzen in dem mehr oder weniger aufgegebenen Hotel und sind dort sich selbst überlassen.

Die Grenzland Produktions und Handels GmbH muss endlich zahlen!

Nach mehreren Gesprächen mit den ArbeiterInnen, Sichtung der Dokumente und Rücksprache mit Anwälten, hatte die FAU zunächst die Firma Grenzland Produktions und Handels GmbH aufgefordert, unverzüglich die ausstehenden Löhne auszuzahlen. Die Eigentümer haben jedoch keinerlei Reaktion gezeigt, sieht man einmal davon ab, dass einer der Steverdings wutentbrannt am Hotel auftauchte. Zur Sicherung der Ansprüche der ArbeiterInnen hat die FAU daraufhin Mahnbescheide gegen die Firma auf den Weg gebracht.

Wer nicht hören will…

Nachdem es auch auf die Mahnbescheide keine positive Reaktion von Seiten der Grenzland Produktions und Handels GmbH gegenüber ihren ArbeiterInnen gab, haben verschiedene FAU-Gewerkschaften der Region gemeinsam mit Beschäftigten entschieden, die KundInnen über das Geschäftsgebaren der Firma aufzuklären. Der Auftakt war die heutige Kundeninformations-Aktion in Duisburg. Die Firma Pflanzen-Teufel in Duisburg, die zumindest bis vor Kurzem selbst zu Grenzland gehörte, ist mit der Straelener Firma personell eng verbunden. Weitere Aktionen in Rhede, Duisburg und Venlo sind angedacht, mit verschiedenen Zeitungen und anderen Medien haben Gespräche über Veröffentlichungen stattgefunden. Es liegt einzig und alleine an der Firma Grenzland Produktions und Handels GmbH, diesen Prozess dadurch zu stoppen, dass sie den Forderungen der Beschäftigten in Rhede nachkommt, die ausstehenden Löhne unverzüglich auszahlt und für die Zukunft eine fristgerechte Lohnzahlung sicherstellt.

Vor einigen Jahren war bereits einmal ein landwirtschaftlicher Betrieb im Münsterland, der sich weigerte, Lohnrückstände bei spanischen Arbeitern zu begleichen, nach einer wochenlangen Welle von Kundeninformations-Aktionen der FAU geschlossen worden, nachdem in der Folge von Presseberichten über die dortigen Zustände, die Behörden ausstehende Sozialabgaben und Steuern geltend gemacht hatten.